Junge Singles glauben stärker an sexuelle Treue

Junge Singles glauben stärker an sexuelle Treue

Bei einer meiner Recherchen bin ich neulich auf eine Studie der Online-Partnervermittlung Parship gestoßen, die mich in Teilen doch recht verwundert hat. Vielleicht ist verwundert der falsche Ausdruck, denn wirklich überrascht haben mich die Ergebnisse nicht. Man ist es aus eigenen Erfahrungen gewohnt, dass sich Erwartungen an das Leben - also auch an zwischenmenschliche Beziehungen - mit wachsendem Alter einer gewissen realistischen Wahrscheinlichkeitseinschätzung unterwerfen. Meist geht diese "Realo-Einschätzung" zu Lasten von Romantik und Träumen. Idealisten haben es demnach mit zunehmendem Alter schwer. Ich war aber dennoch etwas perplex, dass sich diese Erfahrungen so knallhart in den Studienergebnissen widerspiegelten.

Was vermuten Sie: Ist den jüngeren oder den älteren Singles der regelmäßige Sex in einer Beziehung wichtiger?

Richtig - den älteren SIngles ist regelmäßiger Sex wichtiger als den jüngeren Singles. Als Hauptgrund für eine neue Beziehung gaben 43% der 30 bis 44 Jährigen und 42% der 45 bis 60 Jährigen regelmäßigen Sex an. Bei den unter 30 Jährigen waren es nur 37%. Den jüngeren Singles hingegen geht es bei einer neuen Beziehung hauptsächlich um einen emotionalen Partner, einer Vertrauensperson. 49% der jungen Altersgruppe nennen den Wunsch nach einer Vertrauensperson an ihrer Seite als Hauptgrung für eine neue Partnerschaft. Bei den älteren Altersgruppen sind es hingegen nur 42%.

Aha - während es den älteren Singles also in erster Linie darum geht einen Partner zu finden, damit die Sexualität regelmäßig ausgelebt werden kann, suchen jüngere Singles in einem neuen Partner hauptsächliche einen Menschen zum anlehnen und Pferde stehlen. Zweiteres klingt irgendwie Vernünftiger. Zumindest auf den ersten Blick. Ersteres klingt eigentlich nach jungen, ungestümen Wesen, die sich vor lauter Taten- und Triebdrang kaum noch halten können. Verwundert es da nicht etwas, dass die älteren - also lebensweiseren - auf die Befriedigung der Sexualität setzen und nicht etwa auf das vielleicht höher anzusetzende Gut einer zwischenmenschlichen Partnerschaft, einer intimen, standhaften, immerwährenden Verbindung die den Widrigkeiten des Lebens trotzt? Moment - "immerwährend"? Vielleicht ist ja der Glaube an die Ewigkeit verloren gegangen. Was mich zu meiner zweiten Frage bringt.

Was vermuten Sie: Glauben die jüngeren oder die älteren Singles stärker an die ewige Liebe?

Wieder richtig - die jüngeren Singles glauben stärker an die Ehe und damit auch an die ewige Liebe. Vielleich hinkt diese Herleitung etwas, aber folgendes ist definitiv Ergebnis der Studie: Mehr als die Hälfte der Singles unter 30 Jahren stimmt der Aussage "Wenn zwei sich wirklich lieben, dann sollen sie auch heiraten" zu. Bei den älteren Singles sind es weit weniger. In der Altersgruppe der 30-44 Jährigen sind es nur 42%, in der Altersgruppe der 45-60 Jährigen sind es sogar nur noch 38%. Über ein Drittel der 30-44 Jährigen findet die Ehe sogar völlig überflüssig.

Hätten Sie das wirklich gedacht? In einer Zeit, in der es so viele Scheidungen wie noch nie gibt. In einer Zeit in der man sich online zum One-Night-Stand verabredet und voreheliche sexuelle Erfahrung quasi als Mindestvoraussetzung für einen Ehepartner gilt, lebt die Ehe bei den jungen Singles als Werteinstitution wieder auf. Aber verwundert es wirklich? Nein, denn gerade weil um uns herum alles instabil und kurzfristig scheint (der Job, der Wohnort, usw.) äußert sich um so mehr der Wunsch nach Stabilität und Sicherheit im Wunsch nach einer Ehe. Vielleicht nicht unbedingt als romantische Vorstellung eines immerwährenden Verliebt-Seins, so aber doch in der Vorstellung einer dauerhaften, verlässlichen Partnerschaft voller Vertrauen und emotioneller Nähe (auch eine Art Liebe).

Eine verlässliche Partnerschaft baut auf Vertrauen. Und Vertrauen baut auf Treue. Das bringt mich zu meiner dritten und letzten Frage. Und die Antwort können Sie sich sicherlich denken.

Was vermuten Sie: Fordern die jüngeren oder die älteren Singles stärker die absolute Treue ihres Partners?

Ja, richtig - es sind wieder die jüngeren Singles. Die jungen Singles fordern vehement die absolute Treue ihrer Partner. 71% der jungen Singles in der Altersgruppe unter 30 Jahren, dagegen nur 63% der 30-44 jährigen und nur 51% der 45-60 Jahre alten Singles erwarten von ihrem Partner "absolute Treue ohne Ausnahme". Zwar gäbe es auch hier Argumente, die dafür sprächen, dass die jungen Singles toleranter wären. Sind sie doch noch eher in der "Probierphase" und müssen sich "ausleben". Doch gemäß der vorherigen Argumentation sind es natürlich die älteren Singles, die hier realitätsnähere Vorstellungen haben. Vielleicht haben bereits einige der Singles ihre eigenen Erfahrungen diesbezüglich gemacht. Vielleicht ist es aber auch einfach die mit dem Alter wachsende Erkenntnis, dass die großen Gefühle der Verliebtheit irgendwann nachlasen und es dann auf noch viel mehr ankommt, als das Kribbeln im Bauch. Vielleicht ist es die Erkenntnis des Alters, dass wir alle nur Menschen sind, Fehler machen und auch mal eigene Wege gehen müssen. Vielleicht aber ist es auch eine gewisse Weisheit, die da aus den älteren Singles spricht, wenn sie die sexuelle Treue nicht als höchsten Wert ansetzen. Vielleicht gibt es für sie noch etwas weit Wertvolleres, abseits der körperlichen Treue. Gegenseitiges Verantwortungsbewusstsein, geistige Verbundenheit und emotionale Treue könnten so etwas sein. Und hier schließt sich der Kreis. Die Älteren bewahren sich ihren ursprünglichen Traum des ewigen Partners durch eine Anpassung der Werte an ein realitätsnahes Leben. Die Älteren sind die geläuterten Romantiker.

Zum Schluß möchte ich noch ein Zitat von Oscar Wilde, dem irischen Lyriker, mit auf den Weg geben. Da ich selbst Romantiker bin, lese ich das Zitat nicht besonders gerne. Vermutlich behält der gute Herr Wilde aber Recht. "Ein Idealist muss nicht dumm sein, aber enttäuscht wird er immer sein."